In jeder Branche gilt es, spezielle Herausforderungen zu meistern und mit zielgerichteten Strategien den langfristigen Erfolg des eigenen Unternehmens sicherzustellen. Wir haben für Sie einen genaueren Blick auf die Baubranche geworfen und mit Dr. Anne Feige, der Aufsichtsratsvorsitzenden der Hermanns AG, über die aktuelle Situation in der Baubranche gesprochen.
Welches sind derzeit die größten Herausforderungen für die Baubranche?
Zunächst einmal: DIE Baubranche gibt es nicht. Unser Markt ist sehr heterogen und reicht von global agierenden Big Playern bis hin zu Kleinstunternehmen von 1 bis 19 Mitarbeitern, die ca. 70% der rund 79.000 Bauunternehmen in Deutschland ausmachen. Während kleinere Baufirmen derzeit darunter leiden, dass sich private Häuslebauer den Traum vom Eigenheim nicht mehr leisten können, sieht die Situation im Tiefbau nach wie vor sehr gut aus. Was wir hingegen im Hochbau beobachten, ist eine zurückhaltende Auftragsvergabe für das nächste Jahr. Der Ukraine-Krieg, die hohen Rohstoffpreise und die anhaltende Inflation führen zu einem zurückhaltendem Investitionsverhalten. Das werden wir sicher in 2024 noch mehr spüren als in diesem Jahr. Eine weitere Herausforderung sehe ich in den knappen finanziellen Mitteln für öffentliche Aufträge. Immer mehr Bieter bei immer weniger Ausschreibungen ist eine Entwicklung, die unsere Branche zunehmend unter Druck setzen wird. Ganz zu schweigen von der stetig steigenden Bürokratie, die das operative Arbeiten auf den Projekten erheblich erschwert. Ich denke da nur die Entsorgungsproblematiken. Insgesamt sehe ich unsere Branche aber als sehr robust aufgestellt. Wer in den letzten Jahren gut gewirtschaftet hat, kann auch diese raueren Zeiten gut überstehen.
Welche Lösungsansätze haben Sie für Ihr Unternehmen gefunden?
Unsere Branche verlangt nach einer langfristigen Sichtweise, um gut durch solche Phasen durchzukommen. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor war für uns die Diversifizierung. Wir sind als Bauunternehmen sehr breit aufgestellt und können Schwächephasen in einzelnen Segmenten sehr gut ausgleichen. Wir sind sowohl für öffentliche Auftraggeber als auch für Privatleute tätig und bieten zudem ein breites Spektrum im Hoch- und Tiefbau. Ein Thema, das zum Beispiel derzeit bei uns besonders stark nachgefragt wird, ist die Fernwärmeversorgung. Strategien, die für uns gut funktionieren, sind aber natürlich kein allgemein gültiges Patentrezept. Jedes Unternehmen muss für sich schauen, wie es sich bestmöglich – und vor allem: differenzierend – am Markt positionieren kann. Vor kurzem habe ich von einem Bauunternehmen gehört, das sich in das komplexe Feld der Förderprogramme intensiv eingearbeitet hat und seinen Kunden nun in diesem Bereich ein fundiertes Beratungsangebot zur Verfügung stellen kann. Derlei Zuspitzungen des eigenen Angebots räume ich in Zukunft große Chancen ein.
Wie ist die Hermanns AG beim Thema Bürgschaften aufgestellt?
Kurz gesagt: sehr breit. Viele Auftraggeber geben mittlerweile bestimmte Versicherer vor, von denen eine Bürgschaft vorgelegt werden muss. Wir arbeiten deshalb mittlerweile mit sieben verschiedenen Anbietern zusammen, darunter auch Allianz Trade, die mit ihrer internationalen Ausrichtung für viele einen großen Mehrwert darstellen.