Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes

Schwarze Null: Deutsche Wirtschaft fährt mit Handbremse

21. Februar 2019 - Die schwarze Null steht. Gemeint ist dabei aber nicht etwa der deutsche Staatshaushalt, sondern die deutsche Wirtschaft. Sie bekommt den sich abschwächenden Konjunkturzyklus langsam aber sicher zu spüren. Einige Volkswirte sprachen sogar schon von einer möglichen Rezession in Deutschland. So „schwarzmalen“ würde ich allerdings nicht.  Die „schwarze Null“ ist für die erfolgsverwöhnte heimische Wirtschaft dennoch keine sonderlich gute Nachricht.

Als Deutschlandchef eines Kreditversicherers wird mir zwar manchmal unterstellt, dass ich vermutlich „Berufspessimist“ sei, weil wir tagtäglich alle wirtschaftlichen, politischen oder geopolitischen Risiken analysieren und Wahrscheinlichkeiten für mögliche Szenarien festlegen. Tatsächlich bin ich aber sogar Optimist, weil hinter all den Risiken vor allem viele Chancen liegen – aber dazu später mehr. Bei unseren Prognosen bin ich aber vor allem Realist: Denn sie sind die Basis, auf der wir Versicherungsschutz bieten und mit unserem Geld „geradestehen“.

Ausgebremst: die deutsche Wirtschaft tritt auf der Stelle
Fakt ist: Die deutsche Wirtschaft tritt aktuell auf der Stelle. Das zeigen die jüngsten Zahlen. Nach dem leichten Rückgang der Wirtschaftsleistung im dritten Quartal legte das reale Bruttoinlandsprodukt im Schlussquartal 2018 saisonbereinigt minimal um 0,02% gegenüber dem Vorquartal zu.

Mit einem Abgleiten in eine Rezession rechnen wir aber nach wie vor nicht. Allerdings dürfte insbesondere in der ersten Jahreshälfte 2019 die Konjunkturdynamik niedriger ausfallen als wir das bislang erwartet haben. Der Konjunkturausblick ist derzeit mit sehr vielen Unsicherheiten behaftet.

Die größten Unsicherheiten sehen wir – abgesehen von politischen Risiken wie dem Brexit oder Italien – im Außenhandel, dem Automobilsektor und der Investitionsnachfrage. Aber – ich sagte es ja – es gibt auch immer Chancen hinter den Risiken. Und so gibt es auch Faktoren, die uns nach wie vor recht zuversichtlich für das Jahr 2019 stimmen.

Chancen: Ertragslage und privater Konsum
Die binnenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind insgesamt nach wie vor günstig. Die Ertragslage der Unternehmen ist positiv, die Finanzierungsbedingungen sind anhaltend günstig und die Verschuldung von Unternehmen und Haushalten ist relativ gering. Optimistisch sind wir insbesondere auch im Hinblick auf den privaten Konsum: Die deutschen Verbraucher dürften einen substanziellen Beitrag zum diesjährigen Wirtschaftswachstum leisten. Hierfür sprechen unter anderem das anhaltend hohe Beschäftigungswachstum, die 2019 in Kraft tretenden Abgabenentlastungen sowie die zusätzlichen monetären Sozialleistungen.

Handelskonflikt noch nicht vom Tisch
Leider läuft es aber nicht überall so „rund“ wie beim Konsum. Es gibt weiterhin große Fragezeichen im Hinblick auf die Perspektiven für den Außenhandel. Der Handelskonflikt mit den USA schwelt weiter. Eine Eskalation, sowohl in den Beziehungen zwischen den USA und China als auch zwischen den USA und der EU, ist nach wie vor möglich. So schwebt das Damoklesschwert der Einfuhrzölle auf Autoexporte in die USA nach wie vor über dem deutschen Automobilsektor. Darüber hinaus sieht sich die Branche mit einem rückläufigen Automobilabsatz in China konfrontiert.

Automobilbranche: Fit fürs neue Emissionstestverfahren?
Zudem ist in der deutschen Autobranche nach dem Abgas-Skandal derzeit sicherlich eine der größten Fragen, wie schnell sich der Sektor von den zwischenzeitlichen Produktions- und Lieferbeschränkungen im Zusammenhang mit der Umstellung auf das neue Emissionstestverfahren WLTP erholt. WLTP steht für „Worldwide harmonized light-duty vehicles test procedure“, ein weltweit einheitliches Testverfahren für Leichtfahrzeuge. Es legt strengere Kriterien an als sein Vorgänger und ist in Deutschland seit September 2018 für jedes neu angemeldete Auto Pflicht. Aktuelle Auftrags- und Produktionsdaten stützen jedoch unsere Einschätzung, dass sich sowohl Produktion als auch Absatz allmählich wieder normalisieren dürften.

Investitionen: erst mal abwarten
Eine erhöhte Unsicherheit besteht aber auch in Bezug auf die Investitionsnachfrage. Die Daten sprechen für eine Fortsetzung des Aufwärtstrends: Die Kapazitätsauslastung ist nach wie vor überdurchschnittlich hoch und die Ertrags- und Liquiditätslage der Unternehmen ist insgesamt gut. Allerdings dürfte die anhaltende Unsicherheit, insbesondere im Zusammenhang mit dem Handelskonflikt, die Investitionstätigkeit dämpfen.

Die Aussichten sind 2019 also Insgesamt also heiter bis wolkig – für die erfolgsverwöhnte deutsche Wirtschaftbedeutet es aber einen Dämpfer.

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