Euler Hermes: Die Erholung des Welthandels könnte wegen Zunahme protektionistischer Maßnahmen von kurzer Dauer sein

  • Handelsprotektionismus, Finanzbalkanisierung und Geopolitik behindern internationale Kapitalströme und erhöhen die Finanzierungskosten des Welthandels
  • Wende der Zentralbankpolitik wird steigenden Finanz-Protektionismus sichtbar machen
  • Deutsche Unternehmen verzeichnen Anstieg des Handelsvolumens um 250 Milliarden USD


Hamburg, 23. November 2017 – Der Welthandel wird 2017 und 2018 voraussichtlich nur halb so stark wachsen wie vor der Finanzkrise. Ein zunehmender Finanz- und Handelsprotektionismus in Verbindung mit steigenden Zinsen in einem beunruhigenden geopolitischen Umfeld lassen steigende Handelskosten erwarten. Zu diesem Ergebnis kommen die Analysten von Euler Hermes in ihrer dritten Welthandels-Studie „Game of Trade: Unbowed, Unbent, Unbroken?“. Ein Fokus des Reports liegt auf den acht Schlüsselländern USA, Mexiko, China, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien.

Zwischen 2003 und 2007 ist das weltweite Handelsvolumen durchschnittlich um + 8% und der Handelswert um durchschnittlich + 16% gestiegen. Für das laufende Jahr rechnen die Euler Hermes Analysten mit einem Wachstum des Handelsvolumens um + 4,3% und für 2018 um 3,9%. Der Handelswert wird 2017 laut der Prognose um + 7,5% und im kommenden Jahr um + 6,3% steigen.

Das Wachstum des Welthandels könnte vor allem von drei Kernrisiken gebremst werden, die von den Volkswirten des weltweit führenden Kreditversicherers in der aktuellen Studie analysiert werden:

1) Die Zahl protektionistischer Maßnahmen ist hoch und steigt weiter: Weltweit werden für dieses Jahr 400 neue Maßnahmen und damit nur geringfügig weniger zusätzliche Auflagen erwartet als im Vorjahr. Allein in den Vereinigten Staaten wurden bis November 2017 mehr (87) protektionistische Maßnahmen verzeichnet als in den Gesamtjahren 2016 (84) und 2015 (86). Die US-Handelsbarrieren konzentrierten sich in diesem Jahr vor allem auf zwei Volkswirtschaften: Um 20% stieg die Zahl der Handelsauflagen gegenüber China und damit doppelt so stark wie im Vorjahr (+10%). Um 18% nahmen die US-Beschränkungen für Importe aus Kanada zu (Vorjahr: +12%). Die Bedeutung dieser Entwicklung wird deutlich, wenn man die Kaufkraft der Vereinigten Staaten als Endverbraucher betrachtet: Sie stehen für 30% des weltweiten privaten Konsums.

2) Die zweite Wachstumsbelastung des Welthandels begründet sich auf den erschwerten Zugang zu Finanzmitteln als Folge der Balkanisierung von Finanzströmen. Die grenzüberschreitende Kreditvergabe ging im zweiten Quartal 2017 aufgrund asymmetrischer Regulierung um -0,2% im Jahresvergleich zurück. Die pessimistische Wachstumsprognose für das Handelsvolumen basiert auf der Risikointoleranz der Finanzindustrie und der Abschottung durch US-Großbanken in Kombination mit einer asymmetrischen Finanzregulierung (Kapitalbedarf) und den Kapitalkontrollen in Schwellenländern. Die Experten von Euler Hermes sehen dieses Jahr in Übereinstimmung mit der jüngsten Schätzung der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) eine Handelsfinanzierungslücke von ungefähr 1.5 Billionen USD. Über die Verlagerungspolitik der entwickelten Volkswirtschaften in Form von sogenannten „Steuerkriegen“ könnte auch Kapital von aufstrebenden Märkten abgezweigt werden.

3) Die geopolitischen Sorgen bleiben eine große Bedrohung des Welthandels. In Europa stellen die Spannungen mit Russland und die zähen Brexit-Verhandlungen hinsichtlich einer Übergangsregelung ernsthafte Risiken dar. Die wachsenden Spannungen im Nahen Osten führen zu einer Verschärfung der ohnehin schon schwierigen regionalen Situation. Hinzu kommt das steigende Risiko auf der koreanischen Halbinsel, von dem vor allem wichtige Handels-Nationen wie China, Südkorea, Japan und die USA betroffen sind.

"Finanzieller Protektionismus ist die größte Gefahr für den Welthandel", sagt Ludovic Subran, Chefvolkswirt bei Euler Hermes. Er warnt: "Eine disziplinierte Unterstützung seitens der Regierungen für längerfristige Investitionen, die digitale Revolution und ausreichend Bargeld in den Unternehmensbilanzen reichen möglicherweise nicht aus, um diesem besorgniserregenden Trend entgegenzuwirken." In diesem Zusammenhang könnte sich die erwartete geldpolitische Normalisierung durch die Zentralbanken auf die Verfügbarkeit von Hartwährung auswirken und somit die Kosten der Handelsfinanzierung weltweit erhöhen.

„Der globale Handel hat zwischen 2014 und 2016 fast 3 Billionen USD verloren. Wir erwarten eine Trendwende im Jahr 2017. Bis 2018 könnte der Verlust aufgeholt werden, wenn der Protektionismus aufgehalten wird“, erklärt Mahamoud Islam, Senior Economist bei Euler Hermes und Hauptautor der Studie.

Positive Prognosen für deutsche Exportwirtschaft
Für die deutsche Exportwirtschaft prognostizieren die Experten von Euler Hermes einen kumulierten Anstieg des Handelsvolumens um 250 Milliarden USD für die Jahre 2017 und 2018. Dies bedeutet Rang zwei hinter China (+295 Milliarden USD). Auf Rang drei folgen die Vereinigten Staaten mit einem erwarteten Anstieg des Handelsvolumens um 232 Milliarden USD. Mit einem prognostizierten Anstieg des Handelsvolumens von 956 Milliarden USD führt die Eurozone den weltweiten Vergleich der Wirtschaftsregionen für den Zeitraum 2017/18 an.

Deutsche Unternehmen haben 2017 vor allem in Länder der Eurozone (37% Anteil des Gesamtexports) sowie nach China, Indien und Japan exportiert. Rückläufig waren die Geschäfte mit Großbritannien, Brasilien und der Türkei. Die größten Export-Zuwächse wurden im laufenden Jahr in Deutschland in den Branchen Maschinenbau (+14,5 Milliarden Euro), Chemie (+12,5 Milliarden Euro) und Fahrzeuge (+12,3 Milliarden Euro) verzeichnet.

Den deutschen Leistungsbilanzüberschuss für 2017 schätzen die Experten von Euler Hermes auf 246 Milliarden EUR, was 7,6% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) entspricht. 2016 lag der Leistungsbilanzüberschuss bei 262 Milliarden Euro bzw. 8,3% des BIPs.

Ron van het Hof, CEO Euler Hermes, sagt: „Die deutsche Exportindustrie ist stark diversifiziert und sehr wettbewerbsfähig. Immer dann, wenn es um High-End-Produkte geht, sind deutsche Produkte gefragt. Das gilt nach wie vor für deutsches Maschinenbau-Know-how, Chemie-Erzeugnisse und Automobile, die 2017 die stärkste Nachfrage verzeichneten. Die Handelsbeziehungen mit Asiens Märkten wachsen weiter, und die Stabilisierung einiger europäischer Nachbarländer führt zur Neubelebung der Nachfrage bei deutschen Export-Unternehmen. Eine zentrale Rolle spielen kleine und mittlere Unternehmen (KMU), von denen viele in ihrem jeweiligen Bereich tatsächlich Weltmarktführer sind, so genannte Hidden Champions. Aber auch sie sollten die protektionistischen Entwicklungen aufmerksam im Auge behalten. Zudem müssen sie mit den rasanten technologischen Veränderungen Schritt halten, um die führende Rolle in ihren Märkten verteidigen zu können.“


Die vollständige Studie finden Sie auf:
https://www.allianz-trade.com/en_global/news-insights/economic-insights/1258.html


Pressekontakt:

Euler Hermes Deutschland (Hamburg)
Stefanie Waldeck
Pressesprecherin
Telefon: +49 (0)40 8834-1033
stefanie.waldeck@eulerhermes.com