- Sinkende Zahlungsmoral in Großbritannien: 12% mehr Zahlungsverzögerungen im 4. Quartal 2015 vs. 3. Quartal 2015; im Gesamtjahr 2015 8% mehr Überfälligkeiten als noch in 2014
- Eine von sechs Firmen zahlt nach Angaben britischer Unternehmen zu spät – über fast alle Branchen hinweg
- Finanzieller Druck auf britische Firmen steigt, Dominoeffekt auf Zahlungsmoral und Insolvenzen
- Unsicherheiten für deutsche und europäische Exporteure steigen durch Verschlechterung der Zahlungsmoral, steigenden Insolvenzen und Unsicherheiten über Brexit-Votum
Hamburg, 22. März 2016 – Nicht nur der mögliche „Brexit“ bereitet derzeit britischen Unternehmen sowie europäischen Exporteuren Sorgen, sondern auch die sinkende Zahlungsmoral des Königreichs. Um 12% sind die britischen Zahlungsverzögerungen im 4. Quartal 2015 im Vergleich zum Vorquartal angestiegen laut einer Studie des führenden Kreditversicherers Euler Hermes. Einer von sechs Kunden zahlt nach Angaben der britischen Unternehmen für Services oder Waren, die sie bestellt haben, zu spät. Das ist deutlich mehr als im Vorjahr (17% in 2015 vs. 10% in 2014) und zieht sich über fast alle wichtigen Branchen in Großbritannien hinweg. Die durchschnittliche, um saisonale Effekte bereinigte Zahlungsmoral hat sich im Gesamtjahr 2015 um 8% verschlechtert im Vergleich zu 2014 – im Vorjahr hatte sie sich noch um 11% verbessert (2014 vs. 2013).
Finanzieller Druck auf britische Firmen wächst – Dominoeffekt auf Zahlungsmoral und Insolvenzen
„Der finanzielle Druck auf britische Unternehmen wächst, auch wenn sie weiter auf Wachstum ausgerichtet sind“, sagte Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Dieses Phänomen beobachten wir derzeit in vielen wichtigen deutschen Exportmärkten, allen voran in den USA als wichtigstem Handelspartner sowie in China und nun auch in Großbritannien. Das zieht einen negativen Dominoeffekt mit sich. Weltweit erwarten wir 2016 erstmals wieder eine Trendwende und steigende Insolvenzen um 1%. In Großbritannien steigen sie mit 5% sogar stärker als der weltweite Durchschnitt. Zusammen mit einem möglichen Brexit, über den die britische Bevölkerung im Juni abstimmen wird, sind Geschäfte mit britischen Firmen derzeit zum Teil mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Unternehmen sollten bei ihren Zahlungskonditionen vorsichtig sein, insbesondere bei neuen Verträgen oder Kunden.“
Trendwende in Großbritannien: Zahlungsverzögerungen steigen Ende 2015 deutlich an
In 14 von 17 wichtigen Sektoren hat Euler Hermes mehr Zahlungsverzögerungen verzeichnet als im vergangenen Jahr. Im Metall- und Bausektor ist der Anstieg besonders hoch – mit 28% und 26% sind die Zahlungsverzögerungen 2015 um mehr als ein Viertel angestiegen. Gute Nachrichten gibt es nur aus der Automobil- und Elektronikbranche, in denen die Zahlungsmoral sich verbessert hat. Zahlungsverzögerungen nahmen um 12% beziehungsweise 15% ab.
Die Baubranche verzeichnete neben dem hohen Anstieg einen weiteren Negativrekord: Es gab insgesamt mehr Zahlungsverzögerungen als in jedem anderen Sektor. 31% aller gemeldeten Zahlungsvorfälle entfielen auf die Baubranche. Das ist nicht überraschend, da es bei Projekten durch Streitigkeiten häufiger zu Verzögerungen kommt. Der Anstieg ist jedoch erheblich und zeigt, dass viele Unternehmen unter den margenschwachen Verträgen leiden, die sie in der wirtschaftlichen Rezession bereits abgeschlossen haben. Hinzu kommen höhere Kapitalkosten und ein zunehmender Fachkräftemangel. Dies alles bringt die Zahlungskonditionen weiter unter Druck.
Seit 2013 analysiert Euler Hermes quartalsweise in einem „Overdue Payment Report“ gemeldete Zahlungsverzögerungen in den 17 wichtigsten Branchen in Großbritannien. Ausgewertet werden die täglichen Meldungen solcher Vorfälle der 250.000 britischen Versicherungskunden des Weltmarktführers. 2015 hat Euler Hermes mehr als 32.000 einzelne Zahlungsverzögerungen verzeichnet, die Kunden gemeldet haben. Als Zahlungsverzögerung werden dabei offene Forderungen gewertet, die zwei Monat nach dem vereinbarten Fälligkeitsdatum noch nicht bezahlt wurden. Diese Zahlungsverzögerungen oder „Zahlungsvorfälle“ enthalten entsprechend auch Nichtzahlungen, Zahlungsausfälle, Insolvenzen und sonstige Schadensmeldungen.