- Top 1: Auf dem Gaspedal – Deutsche Exporte wachsen; 2016/2017 winken zusätzliche Exporte von 104 Milliarden US-Dollar
- Top 2: Auf der „Formel 1“-Überholspur – Deutschland verzeichnet in den kommenden beiden Jahren ein stärkeres Wachstum bei den Exporten als China
- „Health Check“: Deutsche Unternehmen weiterhin mit guter Zahlungsmoral, aber Zahlungsausfälle steigen, Margen unterdurchschnittlich und Gewinnerwartung sinkt
- Flop 1: Risiken steigen – Trendwende bei den weltweiten Insolvenzen; erstmals nach sieben Jahren wieder Anstieg, in Deutschland stagnieren sie nach Jahren des stetigen Rückgangs und nehmen 2017 sogar zu
- Flop 2: Bei drei der fünf wichtigsten Handelspartner der Deutschen steigen die Pleitefälle an
Hamburg, 15. April 2016 – Top oder Flop? 2016 markiert eine Trendwende bei den weltweiten Insolvenzen: Angesichts der jüngsten Entwicklungen eines schwächelnden Welthandels erwartet Euler Hermes 2016 erstmals seit sieben Jahren wieder einen Anstieg der weltweiten Unternehmenspleiten um 2%. In Deutschland stagnieren die Fallzahlen laut Prognose des weltweit führenden Kreditversicherers 2016 zum ersten Mal nach Jahren des stetigen Rückgangs und nehmen 2017 mit einem Plus von 1% sogar leicht zu.
Die gute Nachricht ist jedoch, dass nicht nur Risiken steigen, sondern auch die Ausfuhren der Deutschen. In den kommenden Jahren winken ihnen zusätzliche Exporte in Höhe von 104 Milliarden (Mrd.) US-Dollar (USD) – und das, obwohl der Welthandel 2016 nominal gerade mal um 2,7% wächst und im Wert sogar um weitere 2% schrumpft im Vergleich zum Vorjahr.
Formel 1 der Exporte: hohes Tempo, Überholmanöver, hohe Risiken und Gefahr von „Remplern“
„Der deutsche Export ist derzeit ein bisschen wie die Formel 1 – hohes Tempo und steigende Risiken, überraschende Überholmanöver und die Gefahr von unerwarteten Remplern aus dem toten Winkel“, sagt Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Die Exporteure drücken mächtig aufs Gaspedal. Sie verzeichnen in den kommenden beiden Jahren sogar einen stärkeren Zuwachs bei den Exporten als China (+96 Mrd. USD) und sichern sich mit diesem Überholmanöver beim Wachstum die ‚Pole Position‘. Im Gegenzug lauern aber höhere Risiken auf der Strecke. Gewinnen können sie nur, wenn sie Risiken eingehen, aber sie brauchen eine gute Absicherung, eine umsichtige Fahrweise und eine gute Boxenstrategie mit den richtigen Partnern.“
Flop: Risiko steigt; drei der fünf wichtigsten Handelspartner der Deutschen mit mehr Insolvenzen
Kurs und Wetterbedingungen variieren dabei je nach Rennstrecke und Wirtschaftsklima:
„Exportieren bleibt riskant – aber ohne geht es nicht“, sagt Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Euler Hermes Gruppe. „Bei drei der fünf wichtigsten Handelspartner der Deutschen steigen 2016 die Insolvenzen und damit die Risiken an: Bei Spitzenreiter USA rechnen wir mit 3% mehr Insolvenzen, in Großbritannien mit einem Anstieg um 1% und in China sogar um 20%. In den Niederlanden und beim zweitwichtigsten Handelspartner Frankreich sind die Pleiten rückläufig – wenngleich bei den Franzosen weiterhin in der Nähe des Rekordniveaus.“
In den Schwellenländern, in denen deutsche Exporteure ebenfalls Wachstumschancen wahrnehmen, zeichnen sich auch deutlich steigende Ausfälle ab: Noch vor China (+20%) hält Brasilien den Negativrekord mit einem Zuwachs von 22% bei den Pleiten. Auf den Plätzen folgen die stark von China abhängigen asiatischen Zulieferländer Taiwan (+17%), Singapur und Hongkong (je +15%) sowie die ebenfalls von der „China-Grippe“ betroffenen lateinamerikanischen Staaten Kolumbien (+13%) und Chile (+11%). Australien (+12%), Südafrika (+10%), die Türkei (+8%), Russland (+7%), Griechenland und die Schweiz (je +3%) verzeichnen ebenfalls einen Anstieg bei den Insolvenzen.
Zu Hause bleiben ist keine Option, sonst starten andere aus der ersten Reihe
„Zu Hause bleiben ist keine Option, denn sonst müssen sich die Exportunternehmen hinten anstellen, wenn es in den derzeit risikoreicheren Märkten wieder richtig losgeht“, sagt Subran. „Die besten Startplätze haben sich bis dahin längst andere gesichert, die den längeren Atem und die besseren Nerven hatten und vor Ort geblieben sind. Die Schwellenländer sind hier das beste Beispiel. Sie haben ihren Namen nicht ohne Grund – es sind eben aufstrebende Märkte, gekennzeichnet mit allen Merkmalen, die dazu gehören: eine nicht-lineare, volatile Entwicklung mit Höhen und Tiefen und langfristig enormen Wachstumschancen.“
Top: Überholmanöver bei den Exporten – Währungseffekt schwächt sich jedoch 2016 ab
Von Wachstumschancen profitieren die Deutschen in den kommenden beiden Jahren. Sie profitieren dabei insbesondere von einem starken Importwachstum bei ihren wichtigsten Handelspartnern USA, Frankreich, Niederlande, Großbritannien und China.
„Die deutschen Exporteure setzen beim Wachstum der Ausfuhren zum Überholmanöver an“, sagt Subran. „Und das, obwohl sich der begünstigende Währungsturbo, der deutsche Waren im Ausland billiger macht, abschwächt. Die potenziellen Exportzuwächse außerhalb der Eurozone fallen entsprechend weniger hoch aus als noch 2015. Insofern legen Ausfuhren nach Frankreich 2016 stärker zu als in die USA, die 2015 erstmals den Thron als wichtigster Handelspartner der Deutschen bestiegen haben. Großbritannien bleibt in der Boxengasse stecken und Exporte ins Königreich können nur noch minimal zulegen. Zu den Verlierern bei den deutschen Exportmärkten zählen Griechenland, Russland und Brasilien.“
Health Check: Exportaussichten und Gewinne gut, Margen unterdurchschnittlich, Erwartung sinkt
Die Gewinne der deutschen Exporteure sind stabil – die Gewinnerwartungen aufgrund der Turbulenzen, insbesondere in den Schwellenländern, haben sich jedoch verschlechtert, und auch die Margen liegen unter dem langfristigen Durchschnitt. Dennoch sind viele der Unternehmen robust aufgestellt. Das zeigt sich auch an der Zahlungsmoral. Deutsche Unternehmen zahlen deutlich schneller als der Weltdurchschnitt. In Deutschland liegen zwischen Rechnungslegung und Bezahlung (Days of Sales Outstanding, DSO) bei börsennotierten Unternehmen gerade mal 56 Tage – global müssen Unternehmen mit 67 Tagen elf Tage länger auf ihr Geld warten.
Trendwende: Zahlungsverzögerungen zwar rückläufig, Zahlungsausfälle aber steigen an
„Interessant ist, dass zwar die Zahlungsverzögerungen im vergangenen Jahr rückläufig waren, dass aber die Zahlungsausfälle um 3% gestiegen sind“, sagt Subran. „Zusammen mit dem hohen Wettbewerbsdruck und den unterdurchschnittlichen Margen ist dies ein Vorbote für die von uns prognostizierte Trendwende mit erstmals wieder stagnierenden Insolvenzen in Deutschland in 2016 und einem leichten Anstieg 2017.“
Vorsicht vor unerwarteten “Remplern“: Politische Risiken & Kapitalverkehrskontrollen voraus Im Auge behalten sollten Exporteure auch mögliche “Rempler“ aus dem toten Winkel.
„2016 hat optional einige ‚böse Überraschungen‘ in der Hinterhand“, sagt Subran. „Eine Welle von Kapitalverkehrskontrollen könnte beispielsweise die Schwellenländer erreichen. Zudem halten politische Unsicherheiten durch Neuwahlen und drohende soziale Unruhen in zahlreichen Ländern wie beispielsweise Thailand, Brasilien oder auch in der Türkei 2016 die Politik und vor allem auch die Wirtschaft in Atem. Sogar direkt vor der eigenen Haustür in Europa lauern diese zum Teil, allen voran ein drohender „Brexit“ oder Neuwahlen in Spanien. Aber auch die Konflikte in der Türkei und im Nahen Osten werfen ihre wirtschaftlichen Risikoschatten voraus. Die Überraschungen werden dem turbulenten 2016 nicht ausgehen – es wird immer und überall Gewinner und Verlierer geben. Die Kunst besteht darin, mit den richtigen Unternehmen Geschäfte zu machen, unabhängig vom Markt und der Branche. Dann ist der Sprung aufs Siegertreppchen frei.“