Stand 01/2021
Man könnte meinen, dass die deutsche Agrifood-Branche, die sich mit der Herstellung von Lebensmitteln und Getränken (unter Ausschluss aller wie auch immer gearteten nachgelagerten Vertriebsnetze) beschäftigt, den Ausbruch des Coronavirus recht gut überstanden hat. Die Lage scheint aber uneinheitlicher zu sein als erwartet. Die nominalen Umsätze im deutschen Agrifood-Sektor werden für 2020 voraussichtlich um -1,3 % gegenüber 2019 sinken, bevor sie sich bis Ende 2021 hoffentlich wieder über das Vorkrisenniveau erholen.

Da sich der nominale Umsatz aus der Multiplikation der Mengen mit den Preisen ergibt, haben wir die Herstellung von Agrifoodprodukten in Deutschland analysiert. Die Zahlen zeigen, wie tief der Einbruch bei den Volumina durch Covid-19 seit Anfang des Jahres ist. Im Gegensatz zum Produktionspreisindex, der über den größten Teil des vergangenen Jahres im positiven Bereich blieb, brach die deutsche Lebensmittelproduktion insgesamt im Mai letzten Jahres um -6% ein, bevor sie sich Ende November auf 3m/3m-Basis wieder erholte.

Dabei können sich die deutschen Lebensmittelhersteller keiner Preismacht rühmen. Der Lebensmitteleinzelhandel mit seiner oligopolistischen Struktur spielt weiterhin eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Branche. Der produzierende Teil des Sektors steht seit jeher unter dem Druck der Abnehmerseite (Lebensmitteleinzelhandel und Discounter) hinsichtlich der Verkaufspreise. Dies ist auf die sehr hohe Preissensibilität der deutschen Verbraucher zurückzuführen – ein geringer „Share of Wallet“ für Lebensmittel ist bei deutschen Verbrauchern zu beobachten.

Betrachtet man die Aufteilung der deutschen Lebensmittelproduktion bei Produktionsmengen nach Hauptsegmenten, dann fällt auf: Im Gegensatz zu den Molkereiprodukten, deren Produktionswachstum sich seit Jahresbeginn wieder im Aufwärtstrend befindet, mussten sowohl das Fleisch- als auch das Getränkesegment Ende November einen Produktionseinbruch von über -7% auf 3m/3m-Basis hinnehmen. Insbesondere bei den Getränken war es ein deutlicher Einbruch, bevor sie sich wieder etwas erholten. Innerhalb des deutschen Lebensmittelsektors könnte der große Marktanteil der Fleisch- und Getränkesegmente die stärkere Auswirkung des Coronavirus auf sinkende Mengen als auf die Preise erklären.

Aufgrund der gestiegenen Nachfrage seitens der Verbraucher sowie der hohen Verflechtungen waren die Einzelhändler während der Pandemie relativ flexibel in Bezug auf die vereinbarten Preise. Mit Ausnahme der alkoholischen Getränke, die durch den Zusammenbruch der Außer-Haus- Verpflegung nach den erneuten Schließungen von Bars, Restaurants und Hotels gefährdet waren, haben sich die beiden anderen wichtigen Verbraucherpreisindizes im gesamten deutschen Agrifood-Sektor in der Folge gut gehalten. Sowohl die Verbraucherpreisindizes für Nahrungsmittel als auch für alkoholfreie Getränke seit Ende 2016 sind in Bezug auf die Wachstumsrate im positiven Bereich geblieben. Ende November letzten Jahres waren sie um +1% bzw. +0,1% auf 3m/3m-Basis gestiegen.

Insgesamt erwarten wir daher, dass der Agrifood-Sektor in Deutschland die Pandemie ohne größere Einbußen bei der Profitabilität überstehen wird. Wir denken, dass sich die gesamte Branche in Bezug auf Lieferketten und Produktionskapazitäten als leistungsfähig und widerstandsfähig genug erwiesen hat, da der Lebensmitteleinzelhandel seine Vorlieferanten in Zeiten von Corona nicht an den Rand gedrängt hat.

Allerdings hat Corona die deutsche Lebensmittelproduktion auf die Probe gestellt. Durch mehrere Corona-Ausbrüche in einigen fleischproduzierenden Betrieben sind die Arbeitsbedingungen in der fleischverarbeitenden Industrie in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Ein neues Gesetz soll Schlachtunternehmen und fleischverarbeitende Unternehmen dazu zwingen, Arbeiter in den Produktionslinien unter eigenen Verträgen zu beschäftigen – statt Subunternehmer mit unsicheren Vertragspartnern aus Osteuropa zu beauftragen. Außerdem wurde in Deutschland eine alte Diskussion über den "fairen Preis" für Lebensmittel neu entfacht und Aussagen über ein verantwortungsvolleres Einkaufsverhalten getroffen.

Dies steht im Widerspruch zur Position der großen Lebensmitteleinzelhändler, die sich in ihrer Agenda auf eine Niedrigpreispolitik konzentrieren, befeuert durch die Realität der Verbraucherausgaben in Deutschland, wo billige Lebensmittel immer noch gut abschneiden. Eine anhaltend aggressive Preispolitik, höhere Kosten in der Produktion und immer weiter sinkende Margen könnten also dazu führen, dass weitere deutsche Lebensmittelunternehmen in europäischen Ländern mit niedrigeren Kosten produzieren.

Quellen: Euler Hermes, Allianz Forschung

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