China: Fokus auf Inlandsnachfrage als Strategie

29. Oktober 2020 – Langfristig steht die chinesische Wirtschaft vor zwei zentralen Herausforderungen: einem rückläufigen Potenzialwachstum und einem sich verschlechternden äußeren Umfeld.

Unser Wachstumspotenzialmodell geht davon aus, dass Chinas BIP-Wachstum in den kommenden zehn Jahren aufgrund des abnehmenden Arbeitskräfteangebots und der nachlassenden Produktivität und Kapitalinvestitionen im Durchschnitt zwischen +3,8% und +4,9% liegen dürfte (nach +7,6% in den 2010er Jahren). Unterdessen stellt sich China auch auf eine langfristige Pattsituation gegenüber den USA ein, die derzeit sein wichtigstes Exportziel und das innovativste Land auf globaler Ebene sind. Weniger enge wirtschaftliche Beziehungen zu den USA würden zusätzliche Risiken für Chinas sich verlangsamende Wirtschaft mit sich bringen.

In diesem Zusammenhang dürfte die "Dual-Circulation"-Strategie als Weg zu einem nachhaltigeren Wachstum im Mittelpunkt des 14. Fünfjahresplans Chinas stehen, wodurch das Land weniger abhängig von Faktoren wird, die sich seiner Kontrolle entziehen: Diese Strategie, die erstmals im Mai 2020 von Präsident Xi Jinping eingeführt wurde, räumt dem "Inlandsumlauf" (Steigerung der Inlandsnachfrage und Verringerung der Abhängigkeit von ausländischen Inputs) Vorrang ein, während der "internationale Umlauf" (Aufrechterhaltung der Exportmarktanteile und Liberalisierung der Kapitalströme) als Ergänzung fungiert. Zwar ist die Neuausrichtung auf die Inlandsnachfrage kein neues Prinzip in Chinas Wirtschaftsplanung, doch wird China langfristig bestrebt sein, die Inlandsproduktion zur Deckung der steigenden Inlandsnachfrage und nicht zur Deckung des Importbedarfs zu nutzen.

Taiwan, Malaysia, Singapur, Thailand und Chile werden mittelfristig auf dem Weg Chinas zur industriellen Autonomie die größten potenziellen Verluste erleiden. Umgekehrt sind Güter aus den USA, Japan und Deutschland aufgrund ihres technologischen Fortschritts nur einem sehr begrenzten Risiko ausgesetzt, mittelfristig durch chinesische Güter ersetzt zu werden. Die Verluste für die Eurozone insgesamt könnten sich mittelfristig auf bis zu 0,9% des BIP belaufen, wobei der Maschinen- und Anlagenbau, das Baugewerbe, die Agrar- und Nahrungsmittelindustrie und die Elektronik die am stärksten exponierten Sektoren sind.

China wird wahrscheinlich die Direktinvestitionen in innovative Schwellenländer wie den Elektroniksektor in Indonesien, Indien, Thailand, Mexiko und Chile erhöhen. Die chinesischen Auslandsinvestitionen haben sich in den letzten Jahren verlangsamt, aber nicht aufgehört, und die "Belt and Road"-Initiative bleibt Teil der langfristigen Vision der chinesischen Behörden. Die Herausforderungen bei der Umsetzung (z.B. im Zusammenhang mit finanziellen Risiken) bedeuten, dass die chinesischen Entscheidungsträger wahrscheinlich anstreben werden, ausländische Direktinvestitionen disziplinierter auf nationale wirtschaftliche Ziele (z.B. industrielle Autonomie) auszurichten.

Zu den langfristigen Risiken gehören steigende Schulden, die "Zombifizierung" von Unternehmen (die nur noch wegen billiger Kredite überleben können) und langsamer technologischer Fortschritt. Chinas Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind im Vergleich zu den USA, Japan und Deutschland weitaus stärker auf staatliche Mittel angewiesen. Starke staatliche Interventionen könnten zu Überkapazitätsproblemen und zur Fehlallokation von Ressourcen zugunsten der insgesamt weniger rentablen und weniger innovativen Staatsunternehmen führen.

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