10.11.2022 - Zusammenfassung

  • Im Jahr 2022 hat die rekordverdächtige Baisse in allen Anlageklassen jegliche Diversifizierungsvorteile beseitigt und Anleger verzweifeln lassen. Die Performance von festverzinslichen Wertpapieren und Aktien wurde größtenteils durch realisierte und erwartete geldpolitische Maßnahmen bestimmt. Im Jahr 2023 dürften festverzinsliche Wertpapiere aus einer risikobereinigten Perspektive wieder etwas attraktiver werden und könnten sich in dem derzeitigen volatilen Umfeld als interessant erweisen. In den nächsten drei bis sechs Monaten wird die hohe makroökonomische Unsicherheit taktische Anleger jedoch weiterhin einer erhöhten kurzfristigen Marktvolatilität und möglichen kurzfristigen Verlusten aussetzen.
  • Die Erwartungen an die Geldpolitik bestimmen den größten Teil der Renditekurve von Staatsanleihen. Der in unseren Szenarien für das zweite Halbjahr 2023 vorgesehene historisch zaghafte, aber bedeutsame geldpolitische Kurswechsel dürfte Abwärtsdruck auf beide Enden der Renditekurve für Staatsanleihen ausüben und zu einer "preispositiven" Marktanpassung führen. Die Risikokomponente (die Komponente, die mehr mit den Fundamentaldaten und den mittel- bis langfristigen Wirtschaftserwartungen zusammenhängt) hat einen nahezu vernachlässigbaren Effekt. In der zweiten Hälfte des Jahres 2023 dürften die langfristigen Renditen in Richtung der von uns vorhergesagten 3,5 % für 10-jährige UST und 1,9 % für 10-jährige Bunds sinken. Nach 2023 dürften sich die Renditen stabilisieren und die Fundamentaldaten (die so genannte Risikokomponente) wieder zum Tragen kommen, so dass die Renditen mittel- bis langfristig langsam in Richtung 4-5 % für den 10-jährigen UST und 2-3 % für den 10-jährigen Bund ansteigen dürften.
  • Die derzeitige Ausweitung der Kreditspreads von Unternehmen blieb moderat – und in gewissem Maße unvereinbar mit dem Zusammenbruch des Aktienmarktes. Für die Zukunft bleiben wir konstruktiv für Unternehmensanleihen, was eine Qualitätsorientierung rechtfertigt. Die derzeitige Kursentwicklung von Unternehmenskrediten ist hauptsächlich auf den weltweiten Anstieg der Staatsanleiherenditen und implizit auf geldpolitische Änderungen zurückzuführen. Gleichzeitig haben der allgemeine Anstieg der Renditen von Unternehmenskrediten und die daraus resultierenden höheren Finanzierungskosten zu einer Verlangsamung an den Primärmärkten geführt, da die Unternehmen davon absehen, Barmittel aufzunehmen. Diese Situation sollte jedoch kein großes Risiko für die Unternehmen darstellen, da der Großteil des Finanzierungsbedarfs erst 2024-2025 entsteht. Es würde etwa drei bis vier Jahre dauern, bis auf den Kreditmärkten ein nennenswerter Anstieg der Zinskosten zu verzeichnen ist, so dass die finanziellen Bedingungen sich erst nach einiger Zeit wieder anpassen werden. Gleichzeitig tendieren gute Fundamentaldaten und überteuerte "Fallen Angels"-Wahrscheinlichkeiten dazu, die Bandbreite möglicher Ergebnisse weiter positiv zu verzerren. In Zahlen ausgedrückt, erwarten wir für 2023 eine weitere Verengung, wobei die Renditenaufschläge für Investment-Grade-Anleihen in den USA und in der Eurozone auf Niveaus nahe 130-140 Basispunkten landen werden. Für Hochzinsanleihen erwarten wir nach einem gewissen Druck bis zum 1. Quartal 2023 einen Rückgang der Spreads in Richtung 400-460 Basispunkte im Jahr 2023.
  • Die kurzfristigen Risiken bei Aktien übersteigen immer noch das Aufwärtspotenzial gegenüber festverzinslichen Wertpapieren. Das übereinstimmende Verhalten von Aktienbewertungen und dem langen Ende der Staatsanleihenkurve hat eine starke Neuanpassung der fundamentalen Bewertungen ausgelöst und einige langfristige Marktungleichgewichte korrigiert, die sich jedoch noch als unzureichend erweisen könnten, um eine langfristige Neupositionierung zu rechtfertigen. Wir gehen davon aus, dass die Aktienmärkte in den USA und im Euro-Raum im Jahr 2022 insgesamt eine Korrektur von -15% erfahren werden. Nichtsdestotrotz sollten die Aktienmärkte im zweiten Halbjahr 2023 aufgrund der nachlassenden Inflation, der erneuten wirtschaftlichen Dynamik und des erwarteten politischen Kurswechsels wieder etwas an Boden gewinnen, was wiederum zu einer Performance im oberen einstelligen Bereich im Jahr 2023 führen und einen gewissen potenziellen Aufschwung gegenüber festverzinslichen Anlagen ermöglichen sollte. Bis zur zweiten Jahreshälfte 2023 sind die Aktienmärkte jedoch nicht wirklich so attraktiv wie festverzinsliche Anlagen, da sie aufgrund ihrer derzeitigen Anfälligkeit für Stimmungsschwankungen an den Märkten extrem volatil sind.