Staatsverschuldung in der Eurozone - Quo vadis?

20. Mai 2021 - Die fiskalische Variante des "whatever it takes" hat im Jahr 2020 zu einer deutlichen Verschlechterung der Staatsfinanzen in der gesamten Eurozone geführt. Allerdings hat sich das Bild auf Länderebene noch nie als so heterogen erwiesen: Sieben Länder (Griechenland, Italien, Portugal, Spanien, Zypern, Frankreich und Belgien, die zusammen mehr als 50% des BIP der Eurozone repräsentieren) weisen inzwischen Schuldenquoten nahe oder über 120% des BIP auf, d.h. das Doppelte des Maastricht-Schuldenziels (60%).

Der Covid-19-Schuldenüberhang wird sich als hartnäckig erweisen: In den Jahren 2021-22 sollte sich die Schuldenquote der Eurozone weitgehend bei etwa 100% stabilisieren, da die Defizite weiterhin aufgebläht sind. Aber was nach 2022 passiert, hängt von einer komplexen Mischung von Annahmen ab. Unser interaktives Schulden-Tool bietet eine ganze Reihe möglicher Ergebnisse für die Entwicklung der Staatsverschuldung in ausgewählten Ländern der Eurozone über einen 15-Jahres-Horizont. Die wichtigste Erkenntnis: Solange die Schwergewichte der Eurozone, darunter Frankreich, Spanien und Italien, keinen nennenswerten Anstieg des nominalen BIP-Wachstums und/oder keine Verbesserung der Primärsalden verzeichnen, ist eine Rückkehr zum Schuldenstand vor der Krise bis 2035 eindeutig nicht zu erwarten. Insbesondere bei einer Rückkehr zu einem fiskalischen "business as usual" - d.h. zum durchschnittlichen nominalen Wachstum und Primärsaldo, die im Zeitraum 2000-19 beobachtet wurden - würden sich die Staatsschuldenquoten in den wichtigsten Volkswirtschaften in den nächsten 15 Jahren weitgehend seitwärts bewegen. Während Deutschland bis 2028 wieder das Schuldenniveau von vor der Pandemie erreichen würde, bräuchten andere Schwergewichte der Eurozone viel länger (Frankreich 67 Jahre, Italien 26 Jahre und Spanien 89 Jahre).

Was sind die Auswirkungen auf die EU-Finanzpolitik in einer Welt, in der 90% die neuen 60% sein könnten? Der Covid-19-Schock wird längerfristige Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen der Region haben, nicht nur in Form eines anhaltenden Schuldenüberhangs, sondern auch durch die Verstärkung eines Paradigmenwechsels, wenn es um das Denken in Bezug auf öffentliche Schulden und Finanzpolitik geht. Doch in einem Kontext, in dem Ströme über Niveaus triumphieren, Schulden nicht nur schlecht sind, aktive Fiskalpolitik das derzeit angesagteste Spiel ist und der Planungshorizont immer langfristiger wird, ist ein gemeinsamer Schuldenanker - warum nicht 90%? - umso wichtiger, um die Solidität der Fiskalpolitik und damit die Schuldentragfähigkeit sicherzustellen. In der Zwischenzeit werden kosmetische Änderungen wie die getrennte Ausweisung des Covid-19-Schuldenüberhangs von der übrigen Staatsverschuldung oder kontroversere Vorschläge wie die Streichung der von der EZB gehaltenen Staatsschulden nichts an der Substanz ändern und könnten sogar die fiskalische Glaubwürdigkeit untergraben.