Besorgniserregend ist der Umstand, dass mehr und mehr Mittelständler – Rückgrat, Herz und Seele der deutschen Wirtschaft – pleite gehen. Immer häufiger melden Firmen mit Umsätzen von fünf bis 25 Millionen Euro und auch solche mit einem Umsatz von bis zu 50 Millionen Euro Insolvenz an. Ebenfalls besorgniserregend: Dabei handelt es sich in der Regel nicht um Start-ups, deren Geschäftsmodell nicht funktioniert. Sondern um ältere etablierte Unternehmen – also solche, von denen es Partner und Lieferanten nicht erwarten.
Und obwohl sich das Schadenvolumen seit dem Jahr 2015 nahezu verdoppelt hat, tun deutsche Unternehmen nach wie vor zu wenig, um sich vor Zahlungsausfällen und Liquiditätsengpässen zu schützen. Das ist gefährlich leichtsinnig, denn die Zahl der Insolvenzen wird voraussichtlich wieder steigen. Und das nicht nur bei den Zombies.
Die Digitalisierung bedroht den Mittelstand
Aktuelle Studien des Instituts für Mittelstandsforschung zeigen, dass nur etwa jedes fünfte kleine und mittlere Unternehmen die aktuellen technologischen Entwicklungen beobachtet und die Auswirkungen auf das eigene Geschäftsmodell abschätzt. „Ein solches Vorgehen kann sich als gefährlich herausstellen”, warnt Institutschefin Friederike Welter im Handelsblatt-Interview; sie fordert den Mittelstand auf, die Digitalisierung aktiv anzugehen: „Viele Unternehmen beobachten zwar die Aktivitäten ihrer Mitbewerber – zu wenig jedoch noch die Möglichkeiten, die die Digitalisierung bieten kann.”
Tatsächlich sind es weniger die Eventualitäten, die kleinen und mittleren Unternehmen in den kommenden Jahren besonders gefährlich werden könnten, also etwa eine sich eventuell abschwächenden Konjunktur, eventuell eskalierende Handelsauseinandersetzungen oder eventuell neue bürokratische Regularien. Das größte Geschäftsrisiko für diese so wichtige Wirtschaftskraft – für den Mittelstand – ist sehr konkret und heißt: Digitalisierung. Und damit einhergehend: neue Wettbewerber, innovative Geschäftsmodelle sowie sich verändernde Kundenerwartungen.
All das vollzieht sich in einer enormen Veränderungsgeschwindigkeit. Inhaber wie Manager müssen heute sehr schnell agieren und reagieren, sie müssen veränderungsbereit und flexibel sein. „Agilität“ lautet das neue Buzzword der Managementvordenker. Die Digitalisierung erfordert nicht nur Investitionen, sondern auch, sagen wir, Innovationsintelligenz.
Deshalb empfiehlt es sich für findige Firmen, Innovation Hubs, Think Tanks und Labs zu etablieren, in denen eigene Teams frei und flexibel an neuen Produkten und Dienstleistungen rund ums Kerngeschäft tüfteln. Frei nach dem Motto: „Disruptiere dich selbst, bevor es andere tun.“
Dass es für Unternehmenslenker hoch gefährlich ist, sich auf jahrzehntelangem Erfolg auszuruhen zeigt Ron van het Hof, CEO von Allianz Trade, in seinem Beitrag „Appgehängt? Ohne gute App wird’s schwer im Einzelhandel“, nachzulesen auf eulerhermes-blog.de. Demzufolge hatten im Jahr 2018 von 13 Großinsolvenzen im Einzelhandel in den USA sieben Unternehmen den digitalen Zug verpasst und boten ihren Kunden keinen Einkauf via App. In Zeiten, in denen immer mehr Menschen mobil mit ihrem Smartphone shoppen, haben sie sich somit den Weg zu Millionenumsätzen selbst versperrt. Das Beispiel zeigt: Unternehmen müssen in digitale Vertriebs- und Kommunikationskanäle investieren, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wollen. Das Internet lässt sich nicht aussitzen. Die Kunden sind ungeduldig, und im Zweifel mit einem Klick bei der Konkurrenz. Das gilt für Unternehmen jeder Größe. Und für jede Zielgruppe.
Ruinöse Attacken aus dem World Wide Web
Die Digitalisierung erfordert zudem auch und besonders von mittelständischen Unternehmen Investitionen in Prozesse, Systeme und die IT-Infrastruktur. Bei letzterer hakt es gewaltig: Der Branchenverband Bitkom bezifferte den von 2016 bis 2018 entstandenen Schaden durch cyberkriminelle Angriffe in deutschen Unternehmen auf 43 Milliarden Euro. Fast die Hälfte der mittelständischen Unternehmen sei betroffen.
Zynisch betrachtet ist das sogar ein Kompliment: Eben weil deutsche Mittelständler oft besonders innovativ und wettbewerbsfähig sind, lohnt es sich, sie auszuspähen oder ihren Betrieb lahmzulegen. Auch Hacker folgen dem Prinzip: Wo nichts ist, ist nichts zu holen. Bei den hiesigen Firmen gibt es jede Menge zu holen. Eine moderne IT mit höchstem Sicherheitsstandard ist folglich nicht „nice to have”, sondern existenziell. Lücken in der Software – von den Falschen entdeckt – können kleine und mittlere Unternehmen ruinieren. Die Zahl der bedrohlichen Angriffe auf mittelständische Unternehmen steigt rapide. In solchen Fällen kann ein gutes finanzielles Back-up die Existenz retten.
Die Digitalisierung verschleppen und verschlafen, sich auf Erfolgen ausruhen, dem Schicksal vertrauen, Trends ignorieren und sich der Augen-zu-das-wird-schon-Mentalität hingeben ist keine gute Strategie. War es übrigens schon zu Zeiten der Buddenbrooks nicht – und ist es in unserer volatilen Welt erst recht nicht. Die Devise für den deutschen Mittelstand muss lauten: Wachbleiben, aufmerksam sein, Innovationen anschieben, Geschäfte und Partner gut prüfen, sich absichern, Vorsorge treffen und immer schön flüssig bleiben!