- Wachstumsaussichten gefährdet: erneuter, aber begrenzter Handelskrieg könnte das nominale Wachstum des Welthandels im Jahr 2026 auf unter 5 % drücken (-0,6 Prozentpunkte)
- Exporte im Wert von 67 Mrd. USD in Europa und China im Zeitraum 2025-26 gefährdet
- In den letzten zwei Jahren sind die bilateralen Handelsströme zwischen geopolitisch nahestehenden Ländern um 620 Mrd. USD gestiegen und machen nun 60 % des Welthandels aus
- Deutschland wäre stark von einem Handelskrieg zwischen den USA und China betroffen sein und müsste bei einer Eskalation mit Exportverlusten rechnen
Hamburg, 14. November 2024 – Obwohl der Welthandel nach wie vor stark von der US-Wirtschaft abhängig ist, hat sich China durch die wichtige Rolle in der globalen Produktion und den großen und wachsenden Binnenmarkt zu einer neuen Supermacht entwickelt. Die aktuelle Studie des weltweit führenden Kreditversicherers Allianz Trade kommt zu dem Schluss, dass die zunehmenden Spannungen zwischen den USA und China die globalen Lieferketten verändern werden und den Weg für neue Handelsmächte ebnen.
Mögliche Szenarien für Deutschland
Allianz Trade hat für Deutschland verschiedene Szenarien berechnet. Ohne Änderungen der Handelspolitik würden sich die kumulierten Exportgewinne für Deutschland im Zeitraum 2025–2026 auf 55 Mrd. USD belaufen. Dies entspricht einem realen Wachstum der Waren- und Dienstleistungsexporte von +0,1 % im Jahr 2025 und -0,9 % im Jahr 2026 (nach -0,9 % im Jahr 2024). In einem extremen Szenario mit Zollerhöhungen durch die USA und Vergeltungsmaßnahmen wäre Deutschland besonders betroffen und müsste im Zeitraum 2025-2026 mit Exportverlusten in Höhe von insgesamt 8 Milliarden US-Dollar rechnen.
Handelskrieg durch Trumps Rückkehr ins Amt neu entfacht
In seiner zweiten Amtszeit als US-Präsident wird Donald Trump wahrscheinlich die Zölle auf chinesische und andere strategische Importe erhöhen (auf 25 % für erstgenannte und auf 5 % für den Rest der Welt, ohne Mexiko und Kanada), was das nominale Wachstum des Welthandels im Jahr 2026 um 0.6 Prozentpunkte verringern würde, da die meisten Maßnahmen ab der zweiten Jahreshälfte 2025 in Kraft treten würden. China und die EU würden den größten Teil der Kosten tragen, da in den Jahren 2025‒26 Exporte in Höhe von 67 Mrd. USD gefährdet wären, insbesondere in den Bereichen Automobilproduktion, Transportausrüstung und Metalle. Vergeltungsmaßnahmen könnten die US-Pharma-, Automobil-, Metall-, Agrar- und Lebensmittelindustrie sowie den Maschinenbau treffen.
„Im Falle eines ausgewachsenen Handelskriegs (60 % Zölle auf China und 10 % auf den Rest der Welt, einschließlich Mexiko und Kanada) würde das 2,4 Prozentpunkte des nominalen Welthandelswachstums kosten. China, Mexiko und Kanada wären am härtesten betroffen, mit kumulierten Exportverlusten von insgesamt fast 217 Mrd. USD im Zeitraum 2025‒26. Aber dieses Szenario scheint unwahrscheinlich, da auch die USA einen hohen Preis zu zahlen hätten,“ sagt Ana Boata, Head of Economic Research bei Allianz Trade.
Amerikanisches «Godfathering» vs. Chinas «Seidenstraße»
Der Welthandel wird zunehmend von den konkurrierenden geoökonomischen Agenden der USA und Chinas geprägt. Die US-Importe haben sich von China gelöst und China exportiert seinerseits mehr an seine eigenen geopolitisch engen Partner (Russland, Singapur, Vietnam, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien). Vor diesem Hintergrund ist der bilaterale Handel zwischen geopolitisch verbündeten Ländern in nur zwei Jahren um 2 Prozentpunkte (620 Mrd. USD) auf 60 % des Welthandels gestiegen.
„Die handels- und industrieorientierte Politik Chinas setzt vor allem auf sanfte Macht und verbindenden Einfluss., während das amerikanische ‚Godfathering‘ auf vier Säulen beruht: (i) ein unerschütterliches Engagement, zentrale nationale Interessen um jeden Preis zu schützen, (ii) die Sicherung der Loyalität innerhalb des Netzwerks historischer Verbündeter, (iii) eine aktive wirtschaftliche und militärische Haltung gegen Rivalen und (iv) die Ausweitung des amerikanischen Einflusses und der Kontrolle auf neue Bereiche wie die Raumfahrt, Technologie und KI,“ sagt Ano Kuhanathan, Head of Corporate Research bei Allianz Trade.
Neue Handelszentren gehen als Gewinner hervor, machen aber die globalen Lieferketten komplexer
In den kommenden Jahren dürfte der globale Handel unter seinem langfristigen Durchschnitt wachsen. Gleichzeitig zeigt der Supply-Chain-Komplexitätsindex von Allianz Trade, dass die globalen Handelsströme immer komplexer werden, wobei sich das Komplexitätsniveau seit 2017 verdoppelt hat und im Vergleich zu den Pandemiejahren um das 6-fache gestiegen ist. In diesem Zusammenhang identifiziert Allianz Trade 25 Volkswirtschaften, die von dieser neuen geoökonomischen Ordnung profitieren könnten, da sie vor dem Hintergrund eines sich verschärfenden Handelskrieges mit den USA wettbewerbsfähiger als China sind.
„Neben schnell wachsenden Volkswirtschaften wie Indien hat dieser Wandel Ländern wie Vietnam, Malaysia, Indonesien und den Vereinigten Arabischen Emiraten die Türen geöffnet, um sich als Handelszentren der nächsten Generation zu etablieren. Wir gehen davon aus, dass der Anteil dieser Volkswirtschaften an den weltweiten Exporten in den nächsten fünf Jahren um 1,6 Prozentpunkte auf 1 274 Mrd. USD steigen wird. Da diese Zentren wachsen und bis 2029 bis zu 21,3 % aller weltweiten Exporte abwickeln werden, müssen sie rund 120 Milliarden US-Dollar allein in die Hafeninfrastruktur investieren, um ihre Dynamik aufrechtzuerhalten“, sagt Françoise Huang, Senior Economist für Asien-Pazifik und Handel bei Allianz Trade.
Parteinahme in der neuen geoökonomischen Ordnung
Anhand der Handelszentren der nächsten Generation und der geopolitischen, handelspolitischen und grenzüberschreitenden Investitionsbeziehungen anderer großer Volkswirtschaften mit den USA bzw. China berechnet Allianz Trade die geoökonomischen Entfernungswerte im Verhältnis zu beiden Ländern . Diese Ergebnisse zeigen, dass Chinas Einflussbereich mehr Handelszentren der nächsten Generation aus den Schwellenländern umfasst, während der größte Teil des westlichen Blocks näher an den USA bleibt.
Es überrascht nicht, dass das Vereinigte Königreich den USA am nächsten liegt, gefolgt von Irland und den Niederlanden, während Kanada auf Platz 4 und Mexiko nur auf Platz 28 liegen. Die meisten afrikanischen und asiatischen Länder liegen näher an China: im Durchschnitt 0,5 für afrikanische Länder gegenüber 0,7 für die USA und 0,4 für asiatische Länder gegenüber 0,6 für die USA. Kanada ist nach Hongkong die zweitnächste Volkswirtschaft zu China und hält sich in der Nähe der beiden Supermächte.
„Australien, Südkorea und Griechenland sind weitere Länder, die den gleichen Abstand zu den USA und China halten. Diese Länder stehen den USA geopolitisch näher, unterhalten aber sehr starke Handels- und Investitionsbeziehungen zu China. Diese Position könnte zunehmend unbequem werden und sie zwingen, Partei zu ergreifen, wenn sich die neue geoökonomische Ordnung um die Konfrontation zwischen den USA und China deutlich verschlechtert,“ sagt Huang.
Die vollständige Studie von Allianz Trade finden Sie hier (Englisch): https://www.allianz-trade.de/content/dam/onemarketing/aztrade/allianz-trade_de/dokumente/allianz-trade-studie-welthandel-2024-11-14-eng.pdf