• Zahl der Großinsolvenzen steigt in den ersten neun Monaten 2019 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 42%
• Durchschnittliche Schäden für Unternehmen durch Großinsolvenzen 81% höher als im Vorjahreszeitraum
• Besonders viele große Insolvenzen in Handel, Automobilbranche und im Dienstleistungssektor sowie in Metall-, Textil- und Energiebranche
• 2019: Gesamttrend bei Insolvenzen in Deutschland stabil
• 2020: Anstieg der Pleiten in Deutschland um 3% erwartet

Hamburg, 28. November 2019 – Zuletzt traf es häufig namhafte und vor allem große Unternehmen: Die Zahl der Insolvenzen bei großen Unternehmen nimmt aktuell wieder zu. In den ersten neun Monaten des Jahres 2019 zählte der weltweit führende Kreditversicherer Euler Hermes 27 Pleiten von deutschen Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 50 Millionen Euro (Mio. EUR) . Im Vorjahreszeitraum waren es noch 19 Fälle gewesen, das ist ein Zuwachs von 42%.

„Das wirklich dramatische an diesen großen Insolvenzen ist der Dominoeffekt auf viele Unternehmen in der gesamten Lieferkette", sagt Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Nicht selten werden sie dabei mitgerissen und geraten selbst in den Abwärtssog, der im schlimmsten Fall ebenfalls in der Pleite endet. Der durchschnittliche Umsatz der insolventen Großunternehmen – und damit auch die Schäden für die betroffenen Unternehmen – ist in den ersten neun Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 81% auf 339 Mio. EUR gestiegen. Dies bestätigt den Trend: Wenn es knallt, dann richtig."

Im Vorjahreszeitraum lag der durchschnittliche Umsatz der insolventen Großunternehmen noch bei 187 Mio. EUR, 2016 noch bei 129 Mio. EUR. Die Tendenz ist also bereits seit Jahren steigend, wobei im Jahr 2017 die durchschnittlichen Schäden aus den großen Insolvenzen mit über 300 Mio. EUR bereits ein erstes Rekordhoch markierten. Dieser Ausreißer in der ansonsten linearen Entwicklung war durch die Insolvenz von Air Berlin bedingt.

Vorsicht geboten: Handel, Automobilbranche, Dienstleistungen, Metall, Textil und Energie
„Besonders viele große Insolvenzen gab es im bisherigen Jahresverlauf im Handel sowie in der Automobilindustrie, dem Dienstleistungssektor sowie Metall-, Textil- und Energiebranche", sagt Van het Hof. „Vorsicht ist gerade auch bei großen Namen geboten – sie schützen im Zweifelsfall nicht vor der Pleite. Einige sehr namhafte Unternehmen sind 2019 sogar bereits zum zweiten Mal in die Insolvenz gerutscht – ein Trend, der dies unterstreicht."

Bekannte große Unternehmen wie unter anderem Loewe, Kettler oder auch Beate Uhse meldeten bereits zum zweiten Mal Insolvenz an. Zu den nach Umsatz größten Insolvenzen in den ersten neun Monaten 2019 zählten ebenfalls viele bekannte Namen wie beispielsweise Schuhpark Fascies, Windenergieunternehmen Senvion und Automobilzulieferer Eisenmann, Buchgroßhändler Koch, Neff & Volkmar (KNV), die Fluggesellschaft Germania oder Modeunternehmen Gerry Weber. Das vierte Quartal 2019 lässt mit den Pleiten von Thomas Cook oder Condor ebenfalls bereits jetzt mit großen Namen aufhorchen.

Große Insolvenzen steigen – Gesamttrend 2019 noch stabil, Anstieg erst 2020 erwartet
Große Insolvenzen häufen sich und der deutsche Wirtschaftsmotor stottert zuletzt ebenfalls. Trotzdem dürften die Insolvenzen in Deutschland im laufenden Jahr relativ stabil bleiben. Die Bundesrepublik verzeichnete in den ersten acht Monaten 2019 sogar erneut einen leichten Rückgang bei den Insolvenzen. Der weltweit führende Kreditversicherer Euler Hermes erwartet allerdings in den letzten vier Monaten des Jahres einen Anstieg bei den Pleitefällen, so dass die Zahlen am Jahresende auf vergleichbaren Niveau liegen dürften wie im Vorjahr. Dieser Anstieg zum Jahresende dürfte sich nach Ansicht der Euler-Hermes-Experten 2020 weiter fortsetzen. Der Kreditversicherer erwartet im kommenden Jahr 3% mehr Pleiten als 2019.

„Die deutsche Wirtschaft zeigt sich angesichts der zahlreichen Unsicherheiten und Risiken weiterhin relativ robust", sagt Van het Hof. „Diese Widerstandskraft kommt allerdings nicht von den Unternehmen wie häufig in der Vergangenheit, sondern vor allem von positiven Impulsen durch die Binnennachfrage – insbesondere von Seiten des Konsums und den Bauinvestitionen. Noch zehren viele Unternehmen aber von ihren Puffern, die sie sich in guten Zeiten angelegt haben. Deshalb gehen wir 2019 weiterhin von stagnierenden Pleitezahlen aus und 2020 dann von einem leichten Anstieg."

Branchen heterogen – Kernbranchen wie Produktion, Energie, Lebensmittel zeigen Anstieg
Dabei sind nicht alle Branchen gleichermaßen betroffen, sondern es bietet sich wie auch bei den Großinsolvenzen ein relativ heterogenes Bild.

„Den größten Zuwachs bei den Pleiten sieht man aktuell in der Energieversorgung und im Bildungssektor sowie der Agrarwirtschaft", sagt Van het Hof. „Aber auch das verarbeitende Gewerbe, Freizeitaktivitäten, die Transportbranche und die unternehmensnahen Dienstleistungen verzeichneten steigende Fallzahlen. In den Bereichen Gesundheit und Soziales, sonstige Dienstleistungen, Information und Kommunikation sowie Wasser- und Abfallwirtschaft haben merklich weniger Unternehmen Insolvenz angemeldet.

Die durchschnittlichen Schäden für Unternehmen durch Insolvenzen haben sich zwischen 2015 und 2018 verdoppelt. Zwar sind sie im bisherigen Jahresverlauf bisher insgesamt leicht rückläufig, allerdings weiterhin auf sehr hohem Niveau. Mit den zum Jahresende voraussichtlich ansteigenden Fallzahlen dürfte sich dieser Trend jedoch ändern – zumal Kernbranchen wie der Energiesektor, Produktion und unternehmensnahe Dienstleistungen bereits einen deutlichen Anstieg bei den Schäden vermelden.

Handel und Baugewerbe mit den meisten Insolvenzen – viele Branchen mit Herausforderungen
Die meisten Insolvenzen verzeichnete in den ersten acht Monaten des Jahres der Handel (2.182 Fälle), gefolgt vom Baugewerbe (2.118), Hotels & Restaurants (1.511), unternehmensnahe Dienstleistungen (1.387) und sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen (1.248), dem verarbeitenden Gewerbe (1.030) und der Transportbranche (866).

 „Viele Branchen stehen aktuell vor zahlreichen Herausforderungen, die sie erst einmal meistern müssen", sagt Van het Hof. „Ein massiver Strukturwandel, häufig durch die digitale Transformation oder Nachhaltigkeitsrichtlinien beschäftigt fast alle Unternehmen hierzulande. Zudem sehen wir eine schwache Nachfrage sowie teilweise Profitabilitäts- und Liquiditätsprobleme unter anderem in der Automobilindustrie und ihren Zulieferern sowie in der Chemiebranche und dem Maschinenbau. Im Dienstleistungssektor, dem Handel und anderen verbrauchernahen Branchen machen den Unternehmen weiterhin die geringen Margen zu schaffen."

Deutsche Wirtschaft: Binnenkonsum ist Fels in der Brandung, gerät er ins Trudeln, wird es eng
Beim Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) geht Euler Hermes sowohl 2019 als auch 2020 von +0,6% aus.

„Die Wirtschaft wächst hierzulande zwar weiter – aber nur sehr schwach", sagt Van het Hof. „Das lässt insgesamt wenig Raum für große Sprünge und könnte bei manchen weiter an die Reserven gehen, die sie in guten Zeiten angelegt haben für den Winter. Die anhaltende Schwäche der Industrie ist für die angelegten Vorräte ein Risiko. Wenn sich diese Schwäche nun auch negativ auf den Privatkonsum auswirkt, der sich aktuell als Fels in der Brandung der deutschen Wirtschaft erweist, wird es eng. Sollte er ins Trudeln geraten, könnte im Laufe von 2020 eventuell erneut eine technische Rezession drohen."

Der Welthandel wächst 2020 mit +1,7% auch nur minimal mehr als 2019 (+1,5%). Deutsche Exporteure müssen also weiterhin aufs Gas drücken, um ihr Stück vom Kuchen zu verteidigen. Die unendliche Brexit-Geschichte zieht sich ebenfalls weiter. Zwar gehen die Euler-Hermes-Experten davon aus, dass es in der Verlängerung letztlich doch noch eine Einigung geben dürfte, allerdings wird auch das nicht zu einer plötzlichen Erholung führen. Drohende Automobilzölle sind zwar auch auf 2020 verschoben – aber nicht aufgehoben und auch sonst ist der politische Kalender voll mit Terminen, die hier und da zu einer Verwerfung führen könnten.

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