09.03.2022 - Die Invasion in der Ukraine hat zu einem erheblichen negativen Schock auf der Angebotsseite der Eurozone geführt. Die Inflation steigt weiter an, während die Finanzsanktionen den Handel mit nichtenergetischen Produkten mit Russland praktisch zum Erliegen gebracht haben. Das Verbrauchervertrauen hat sich bereits verschlechtert und deutet auf eine Verlangsamung des Wachstums in der zweiten Jahreshälfte hin.
In Anbetracht der unsicheren Aussichten erwarten wir, dass die EZB auf der März-Sitzung in einer abwartenden Haltung bleiben wird, da die Sorgen über die Verlangsamung des Wachstums und die Verschärfung der finanziellen Bedingungen die Inflationsängste überwiegen werden. Unter den derzeitigen Bedingungen wird es wichtig sein, so viel politische Flexibilität und Handlungsspielraum wie möglich zu bewahren. Die EZB sollte sich weder auf ein deutlich geringeres Tempo der Wertpapierkäufe im zweiten Quartal noch auf ein Ende der Wertpapierkäufe in diesem Jahr festlegen. Wir gehen davon aus, dass quantitative Lockerung (Quantitative Easing, kurz QE) das ganze Jahr 2022 hindurch fortgesetzt wird, was die erste Zinserhöhung (die wir vor dem Einmarsch Russlands in der Ukraine für Dezember erwartet hatten) ins 1. Quartal 2023 verschieben würde.
Sollten die Ausgangsbedingungen nicht mehr gelten, müsste die EZB ihren geldpolitischen Kurs auf der nächsten Sitzung neu bewerten. Es könnte zu einer Wende kommen, wenn eine Abschaltung der russischen Öl- und Gasversorgung zu einer erheblichen Verschlechterung der Wachstumsaussichten führt und eine weitere geldpolitische Lockerung erforderlich macht. Eine antizyklische Fiskalpolitik würde im Idealfall die Unterstützung der Gesamtnachfrage durch die EZB ergänzen und dazu beitragen, die Erwartungen einer Normalisierung während des Aufschwungs voranzutreiben.